Was bedeutet ein Spendenformular auf der Website für das BFSG 2025? Marcial Comeron / Pexels
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) sorgt bei vielen Non-Profits, Vereine und Stiftungen für Verunsicherung – zum Beispiel, wenn es um Spendenformular und die sogenannte Kleinstunternehmensregelung geht. Gemeinsam mit IT-Rechtsanwalt Rolf Albrecht bringen wir Licht ins Dunkel.
Wir haben die häufigsten Fragen gesammelt, die uns NGOs rund um das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gestellt haben – und freuen uns, euch Antworten und praxisnahe Orientierung zur Umsetzung auf Non-Profit-Websites bereitzustellen.
Unser Interview-Partner: Rolf Albrecht, Fachanwalt für IT-Recht & Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Rolf arbeitet für eine Kanzlei in Waltrop (Nordrhein-Westfalen), vertritt aber Mandant:innen aus dem gesamten Bundesgebiet und angrenzenden Ländern. Dabei betreut er als Fachanwalt für IT-Recht seine Mandant:innen unter anderem in den Bereichen des Datenschutzrechts, E-Commerce-Rechts und Internetrechts.
Geltungsbereich & Ausnahmen für NGOs
Unsere Organisation bietet über die Website keine klassischen digitalen Leistungen wie Buchungen oder Bestellungen an. Sind wir trotzdem vom BFSG 2025 betroffen – nur weil wir online auf unserer Website Spenden sammeln? Falls ja, wie kann das sein?
Rolf: Grundsätzlich ist der Hintergrund des Gesetzes sehr positiv zu bewerten. Da aber eine Nichtumsetzung Folgen hat, kann ich den Hintergrund der Frage verstehen.
Eine Website mit einem Spendenbutton fällt prinzipiell darunter. Hier ist nur die Verknüpfung aufgrund der Einbindung zu einem externen Zahlungsanbieter relevant; Stichwort Bankdienstleistung.
Aber: Kleinstunternehmen können von einer gesetzlichen Ausnahme profitieren, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall geprüft und ständig evaluiert werden.
Unsere Organisation ist klein und arbeitet überwiegend ehrenamtlich. Gibt es Ausnahmen oder Schwellenwerte (wie bspw. die Ausnahmeregelung für Kleinstunternehmen), ab wann das Gesetz greift – trotz Spendenoption auf der Website?
Rolf: Die Regelung für Kleinstunternehmen aus § 3 III BFSG setzt voraus, dass ein Unternehmen vorliegt, das weniger als zehn Personen beschäftigt und das entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.
Im Kontext von NGO dürfte insbesondere die Beschäftigtenzahl ausschlaggebend sein. Dies muss dann im konkreten Fall geprüft werden.
Eine Website mit Spendenbutton fällt prinzipiell unter das BFSG. Aber: Kleinstunternehmen können von einer gesetzlichen Ausnahme profitieren, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Was ist mit älteren Websites, die technisch gar nicht mehr modernisierbar sind – gibt es eine Übergangsfrist oder eine Art Bestandsschutz?
Rolf: Ein dauerhafter Schutz vor den neuen Regeln gibt es grundsätzlich nicht. Das Gesetz sieht zwar Übergangsfristen vor, aber für Websites gilt so eine Frist nicht. Es kann aber daran gedacht werden, im konkreten Fall die Umsetzung nicht vorzunehmen. Stattdessen kann man sich darauf berufen, dass durch die Umsetzung der Anforderungen des BFSG eine „Verschlimmbesserung“ erfolgt oder gar eine unverhältnismäßige Belastung mit Kosten entsteht. Beides muss aber gut durchdacht, dokumentiert und gegenüber der zuständigen Behörde dargelegt werden.
Zählt unsere Website schon unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, wenn wir zwar keine Spendenfunktion haben, aber Inhalte zum Selbstkostenpreis bzw. mit ‚pay what you can‘ anbieten?
Rolf: Ja, ich würde hier von der Anwendung des BFSG ausgehen, da dies wie ein regulärer Onlineshop zu bewerten ist. Allerdings könnte auch hier die Regelung für Kleinstunternehmen greifen.
Barrierefreiheits-Check – muss eure Website gesetzlich barrierefrei sein?
In dieser übersichtlichen Infografik “Gesetzliche Barrierefreiheit prüfen” zeigen wir, für welche Organisationen die aktuellen Gesetzen zur digitalen Barrierefreiheit gelten – und was das konkret für NGOs, Stiftungen, Vereine und Unternehmen bedeutet. Mit nur sechs Fragen findet ihr heraus, ob und in welchem Umfang eure Website barrierefrei sein muss.
Aber auch wenn ihr nicht gesetzlich verpflichtet seid: Barrierfreiheit wins!
Digitale Angebote und technische Verantwortung
Viele NGOs verwenden externe Tools wie FundraisingBox, twingle oder PayPal für ihre Spendenaktionen. Doch wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Barrierefreiheit dieser Spendenlösungen – der Anbieter der Tools oder die Organisation selbst? Reicht es außerdem aus, wenn nur die Spendenfunktion barrierefrei ist oder genügt es im Zweifelsfall, eine barrierefreie Alternative anzubieten?
Rolf: Für die Barrierefreiheit ist der Betreiber der Website, also in der Regel ihr als Organisation zuständig. Die gesamte Website muss barrierefrei sein, außer es gilt die Kleinstunternehmensregelung. Wenn eine barrierefreie Alternative verfügbar ist, umso besser.
Zählen auch Newsletter-Anmeldungsformulare, Petitionsformulare oder Kontaktformulare zu den „digitalen Dienstleistungen“ im Sinne des BFSG?
Rolf: Die genannten Formulare würde ich als Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne des BFSG einordnen, sofern damit ein Abschluss eines konkreten Vertrages über Waren oder Dienstleistungen bezweckt werden würde.
Dies dürfte beim Newsletter-Anmeldeformular nicht der Fall sein, ebenso beim Petitionsformular. Beim Kontaktformular kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an. Allerdings gilt auch hier die bereits benannte Kleinunternehmerregelung.
Wie gehen wir am besten vor, wenn wir uns mit mehreren Organisationen eine gemeinsame Website mit Spendenfunktion teilen?
Rolf: Es sollte eine Prüfung erfolgen, wer Dienstleistungserbringer:in im Sinne des BFSG ist. Danach ergibt sich alles Weitere. Diese Prüfung ist nicht zwingend mit einem Rechtsbeistand durchzuführen, sondern es muss sich angeschaut werden, wer die konkrete Dienstleistung anbietet oder erbringt. Gibt es hier eine “Arbeitsteilung”, kann nur eine der Organisationen verantwortlich sein.
Spendenbutton & rechtliche Einordnung
Was ist, wenn die Spenden-Seite im Menü zwar verlinkt ist, aber auf eine Subdomain führt – oder eben auf externe Spendenseite wie bspw. betterplace.org führt?
Rolf: Wenn der Spendenbutton auf eine andere Webseite weiterleitet und nicht direkt mit einem externen Zahlungsanbieter verbunden ist, dann muss die erreichbare Seite barrierefrei sein. Dies muss dann der jeweilige Anbieter der Webseite prüfen.
Was darf ein Spendenbutton; was nicht: Wann sind wir betroffen?
Beispiel 1:
Der Spendenbutton im Menü führt zu einer Unterseite mit einem eingebetteten Spendentool (iFrame), das mit Zahlungsdienstleistern verknüpft ist.
Rolf: In diesem Fall dürfte über die direkte Verbindung mit dem Anbieter eine Bankdienstleistung vorliegen. Allerdings verweise ich auf die Kleinstunternehmensregelung.
Beispiel 2:
Auf einer Unterseite ist lediglich ein PayPal-Spendenbutton, der zu PayPal führt.
Rolf: Hier dürfte es darauf ankommen, ob die direkte Verknüpfung vorliegt. Nach erster Bewertung würde ich sagen, nein.
Beispiel 3:
Es ist nur per Text eine Bankverbindung auf der Website angegeben.
Rolf: Wenn nur eine Bankverbindung im Text steht, gilt das nicht als Bankdienstleistung nach dem BFSG. Dann könnte höchstens eine Dienstleistung im Online-Geschäft vorliegen, bei der die Kleinstunternehmensregelung greifen kann. Das hängt davon ab, wer die Website betreibt und welche weiteren Inhalte dort sind.
Was sollten wir generell tun, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, wenn wir eine Spendenfunktion auf der Website haben?
Rolf: Ihr solltet prüfen, ob die Kleinstunternehmensregelung greift. Tut sie das nicht, kann die Umsetzung des BFSG zwingend sein. Ausnahmen sind Gründe der Unzumutbarkeit der Umsetzung oder die drohende „Verschlimmbesserung“.
Barrierefreiheitserklärung & Übergangslösungen
Ist es ein sinnvoller Weg, eine Barrierefreiheitserklärung zu veröffentlichen und dort transparent zu machen, welche Teile der Website noch nicht barrierefrei sind?
Oder dann lieber gar nichts machen? Was ist der richtige Weg? Falls ja: Muss es eine Barrierefreiheitserklärung nach gesetzlichen Richtlinien sein oder reicht eine formlose Erklärung?
Rolf: Es sollte eine Barrierefreiheitserklärung geben, die durchaus auch Angaben zu noch nicht barrierefreien Inhalten beinhalten kann. Dafür sollte eine Prüfung stattfinden. Zudem müssen die Nutzer:innen auch auf ihre Rechte und die zuständige Marktüberwachungsbehörde hingewiesen werden. Eine Barrierefreiheitserklärung ist daher anzuraten.
Wie können wir zuverlässig prüfen (lassen), was auf unserer Website noch nicht barrierefrei ist? Und müssen wir in der Barrierefreiheitserklärung ein konkretes Datum nennen, bis wann wir die Probleme beheben?
Rolf: Die Prüfung muss der Dienstleister vornehmen, der die Webseite betreut. Alternativ kann eine fachkundige Person damit beauftragt werden. Ein konkretes Datum zur Problembehebung ist nicht zu benennen.
Eure Website auf Barrierefreiheit prüfen lassen?
Können wir. Wir testen gern eure Website auf Barrierefreiheit – und helfen bei Bedarf, dieseo zu optimieren, dass wirklich alle Menschen eure Inhalte und Spendenmöglichkeiten nutzen können – gemäß BFSG und BITV 2.0.
Was ist, wenn aktuell ein Spendenformular eingebunden ist, aber noch dieses Jahr ein Relaunch geplant ist, inklusive barrierefreier Umsetzung? Reicht das, wenn wir das in der Barrierefreiheitserklärung so aufführen?
Rolf: Ja, das dürfte ausreichen. Es muss immer der genaue „Ist-Zustand“ in der Erklärung wiedergegeben werden.
Strategische Planung & Vorbereitung
Was können wir tun, wenn wir uns aktuell keine komplett barrierefreie Website leisten können – oder dafür erst eine Förderung beantragen müssen und nächstes Jahr Gelder zur Verfügung haben werden?
Rolf: Die Website sollte einmal grob geprüft werden. Dann kann über die Barrierefreiheitserklärung benannt werden, welche Teile barrierefrei sind und welche nicht. Es muss auf jeden Fall geprüft werden, ob die Regelungen des BFSG überhaupt im konkreten Fall zwingend beachtet werden müssen oder nicht.
Wann ist eine individuelle rechtliche Beratung sinnvoll?
Rolf: Immer dann, wenn es um die Fragen der Erstellung der Erklärung zur Barrierefreiheit geht oder um Zweifelsfragen der Anwendung des BFSG selbst. Gerne kann hier Kontakt mit mir aufgenommen werden. Ansonsten steht die technische Umsetzung zunächst im Vordergrund.
Viele vergleichen die aktuelle Diskussion mit der DSGVO-Einführung: Damals wurde vor rechtlichen Risiken gewarnt, doch eine Klagewelle gegen kleine Organisationen blieb aus. Ist hier vielleicht mit ähnlichen Entwicklungen zu rechnen?
Rolf: Ich rechne persönlich nicht damit, dass eine Klagewelle folgen wird. Allerdings werden große Dienstleistungserbringer sicherlich geprüft werden. Und es besteht wie immer die Möglichkeit der Einreichung von Beschwerden bei der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Welche typischen Fehler sollten NGOs aktuell vermeiden, wenn sie mit Blick auf das BFSG aktiv werden?
Rolf: Erstens: Nicht in Panik verfallen.
An erster Stelle würde ich prüfen, ob ich als Kleinstunternehmen vielleicht gar nicht dem Anwendungszwang des BFSG unterliege. Wenn Anwendungszwang vorliegt, dann sollte eine technische Prüfung erfolgen, ob die Vorgaben eingehalten werden oder wie dies geschehen kann.
Zweitens: Prüfen, welche Stellen auf der Website wichtig sind, und diese vielleicht auch freiwillig nach den Vorgaben des BFSG barrierefrei gestalten.
Danke für das Interview und die vielen hilfreichen, praxisnahen Antworten!
Ihr wollte eine barrierefreie Website?
Ob barrierefreies Spenden-Tool, klare Navigation oder inklusive Gestaltung – wir machen eure Website nutzerfreundlich und wirksam für alle. Schreibt uns gerne an.
Dieses Interview dient ausschließlich eurer allgemeinen Information und stellen keine Rechtsberatung dar. Die Aussagen und Antworten sind nicht rechtsverbindlich. Wir haben die Inhalte mit größter Sorgfalt erstellt, übernehmen jedoch keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit oder Aktualität.
Wenn ihr unsicher seid, ob das BFSG oder das BGG bzw. die BITV 2.0 für euch gilt, wendet euch bitte an eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für IT- oder Medienrecht.
Jegliche Haftung für Schäden, die direkt oder indirekt aus der Anwendung oder dem Vertrauen auf die bereitgestellten Informationen entstehen, ist – soweit gesetzlich zulässig – ausgeschlossen.